Trimenonkoliken

Die meisten Eltern von Neugeborenen haben in den ersten Lebenswochen ihrer Kinder Stress durch Schreiphasen. Oft vermuten sie, dass ihr Kind mit der Nahrung nicht zurecht kommt, da es fast unersättlich ist. Stillende Mütter zweifeln schnell, ob sie wohl genug Milch haben, oder ob die Milch denn „dick“ genug sei. Mütter, die Flasche füttern, wechseln oft das Präparat in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. Im Hintergrund steht die allgegenwärtige Großmutter mit dem Schmelzflockenpaket winkend. Da das Baby oft pupst, wird schnell vermutet, dass Blähungen die Ursache der Schreiphasen sind. Oder aber man hat den Eindruck, dass das Baby „krampft“, da es ja die Beine immer anzieht und rot anläuft. Durch das herzzerreißende Schreien des Säuglings wird das Nervenkostüm der Eltern immer dünner. Neben Hilflosigkeit kommt auch Wut auf, die man aber nicht zulassen darf, weshalb sich sofort das schlechte Gewissen einstellt. Irgendwann ist man am Ende: SO GEHT ES NICHT WEITER!

Was steckt nun wirklich dahinter ?

Eher selten leidet das Kind wirklich unter einer Art „Capuccino-Effekt“: es trinkt Milch und schluckt Luft, die Milch schäumt in Speiseröhre und Magen auf und lässt sich vom Magen und Darm nicht mehr transportieren, denn Schaum – hier Milchschaum (wie auf dem Capuccino)- weicht jeder Gewalt aus. Bei diesen Kindern helfen entschäumende Tropfen (z.B. SAB, Lefax etc.). Andererseits bedeutet dies auch, wenn ein Kind durch SAB- oder Lefaxtropfen nicht ruhiger wird, dass hier ein anderer Grund fürs Schreien besteht! Selbst wenn das Kind öfter pupst, liegen nicht unbedingt Blähungen vor: denn wer viel schreit, schluckt viel Luft, und die muss auch mal heraus. Noch seltener leiden Kinder wirklich unter Koliken, also Darmkrämpfen, in diesem Fall helfen entkrampfende Tropfen oder feuchte Wärme.

Die meisten Kinder, insbesondere die unersättlichen leiden aber eher unter etwas ganz anderem: sie haben den drastisch schnellen „Umzug“ noch nicht verkraftet, denn sie sind ja von jetzt auf gleich in eine völlig neue Umgebung versetzt worden. Im Mutterleib ist es eng, dunkel, warm und laut! Jetzt ist es grenzenlos weit, hell und oft leise. Im Mutterleib erlebt das Kind die Mama rund um die Uhr pur, das Ungeborene kennt die Mama „inwendig“. Es hört den Herzschlag der Mutter, ein beruhigendes ewiges rhythmisches Klopfen, die Atmung – wie Meeresrauschen, die Darmgeräusche – wie ein plätschernder Wasserfall, die Stimme der Mutter und das fauchende Zischen des Kreislaufs. Außerdem klopft die dicke Körperschlagader bei jedem Herzschlag vor die Gebärmutterwand; der Impuls läuft im Fruchtwasser weiter und „streichelt“ das Baby unentwegt (Whirlpooleffekt). Alle Babysinne sind erfüllt mit mütterlicher Körperlichkeit. Jetzt kommt die Geburt: plötzlich ist alles hell, ja grell, kühl und grenzenlos, sowie vorwiegend leise. Das Baby, das vorher davon ausging, dass die Umgebung zu ihm selbst gehörte (da diese Umgebung ja immer da war, wie die eigene Nase im Gesicht), hat das Gefühl, ein Stück vom eigenen Körper verloren zu haben. Die neue Umgebung, und ist sie auch noch so „schön“ mit Himmelbett und Mickey-Maus-Tapete ist in keiner Weise „baby-gerecht“. Also schreit das Baby. Nun lernt es von der ersten Mahlzeit an, dass es sich beim Füttern fast so geborgen fühlt wie im Mutterleib: denn der Arm der Mutter umschließt das Kind, das Öhrchen ruht an der Brust und hört wieder die altgewohnten Geräusche. Schnell begreift das Kind: Essen = Geborgenheit. Und nun wird es „hungrig“ bis unersättlich – aber: nicht unbedingt nach Milch. „Der Mensch lebt nicht von Brot allein…“ – ein weiser Bibelspruch, der auch aufs Baby Anwendung finden kann. Das Hin- und Herwenden des Köpfchens, das Nuckeln, das dankbare Annehmen der Brust oder Flasche ist mit „Hunger“ viel zu kurzsichtig interpretiert. Einige andere Völker, die wir als Primitivkulturen ansehen, sind dort viel verständiger: Neun Monate im Mutterleib, dann neun Monate am Mutterleib: und schon gibt es keine Blähungen, Koliken etc. Deshalb glauben Sie NICHT den Omasprüchen:

  • Schreien ist gut für die Lunge  oder
  • Nimm das Kind auf keinen Fall mit in Dein Bett, Du kriegst es nicht mehr los.

Dies ist Verrat an den Bedürfnissen eines Neugeborenen. Man kann das Kind in dieser ersten wichtigen Zeit nicht verwöhnen! Das Baby verlangt ja nicht mehr als vorher, sondern nur das, was bisher gratis war! Aus diesem Grund sind auch Autofahren, Staubsaugen, Fönen so erfolgreiche Rezepte gegen „Blähungen“ und „Koliken“ – primitive aber taugliche Nachahmungen dessen, was das Kind aus dem Mutterleib kennt: Geräusche, Bewegung, Wärme.

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