Verstopfung im Kindesalter

Habituelle Obstipation

Natürlich gibt es ernährungsbedingte Verstopfungen: viel Schokolade, viel Saft , wenig Ballaststoffe – das kann zu hartem Stuhlgang führen. Am häufigsten wird jedoch in Kinderarztpraxen die Diagnose habituelle Obstipation gestellt.

Diese Kinder hatten bis zum 2. Geburtstag keine Stuhlprobleme, doch plötzlich kommt es zu zunehmender Verstopfung: tagelang haben die Kinder keinen Stuhlgang, dann kündigt sich die Stuhlentleerung mit Bauchweh an, das Kind rutscht unruhig hin und her, hockt sich hin, presst, hält ein, bis nach langem Hin und Her evtl. durch Mithilfe von Einläufen etc. der Darm entleert ist. Die Phasen des Einhaltens werden länger, einige Kinder schaffen es, den Stuhl eine Woche zurückzuhalten. Zunehmend leidet die ganze Familie, denn die Entleerungsprozedur dauert manchmal einen halben Tag und ist mit viel Geschrei verbunden. Gutgemeinte Therapieversuche mit Dörrobst , Pflaumen und ballaststoffreicher Kost scheinen vollkommen wirkungslos zu sein…. – sind sie auch, denn die habituelle Obstipation (gewohnheitsmäßige Verstopfung) beginnt im Kopf.

Zweijährige sind im positiven Sinne eigenwillig, sie entwickeln zunehmend Autonomie. Auch im Bereich der Schließmuskeln. Die Kinder bemerken plötzlich: ich kann selbst kontrollieren, ob ich Stuhlgang mache oder nicht! Ich entscheide, ob ich jetzt in die Pampers mache oder später. Dieser Gewinn an Autonomie ist für die Kinder wundervoll, denn es passiert nicht mehr etwas mit Ihnen, sie sind nicht mehr Spielball eines Mechanismus, sondern sie entscheiden als Schiedsrichter, wie´s geht.

Erinnern Sie sich an ihre erste Autofahrt nach dem Führerschein ohne Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz, oder die erste Ski-Abfahrt ohne Skilehrer oder die ersten Meter mit dem Fahrrad nach Abschrauben der Stützräder: Man glaubt doch, dass einem in diesem Moment niemand mehr etwas vormachen kann, man ist durchaus übermütig. Ähnlich ergeht es unseren Zweijährigen. Sie merken: da ist der Darm voll, ich könnte… – aber ich will noch nicht, nicht jetzt.

Der Stuhldrang verschwindet, kommt am nächsten Tag wieder, etwas stärker, aber wieder gerade beim Spielen in einem ungünstigen Moment, und wieder wird der Stuhl zurückgedrückt. Dann kommt am nächsten Tag ein unaufhaltsamer Stuhldrang, die Darmentleerung geschieht mit einer unbekannten Vehemenz, der Stuhl ist nach drei Tagen entsprechend hart, evtl. gibt es kleine Einrisse in der Schleimhaut des Darmausgangs, die Kinder erleben eine kleine Geburt, die den eigenen Willen vollkommen übergeht. Die Kinder registrieren: Stuhlgang machen tut weh! — also mach´ ich keinen mehr. Und schon ist die Grundlage fürs weitere Einhalten in den nächsten Tagen gelegt.

Nun wird aus dem primären Willensproblem zunehmend ein organisches:   der Enddarm leiert aus, wird überdehnt und verliert dadurch an Kraft. Bei den seltenen Stuhlentleerungen kann der Darm nicht mehr mithelfen, die Entleerung zieht sich immer mehr in die Länge, die Feinabstimmung zwischen Füllungsdruck, Beckenbodenspannung, Schließmuskelspannung geht verloren. Oft endet es im ständigen Stuhlschmieren bei klaffendem Darmausgang. Und nun?

Therapeutisch muss hier der Darm „konditioniert“ werden. Das Kind muss:

  1. die Erfahrung einer schmerzlosen Stuhlentleerung machen,
  2. der Darm (und Beckenboden) muss an Tonus (Spannung) gewinnen um dadurch bei der Entleerung mit Kraft helfen können.

Es ist  hilfreich, die Mitarbeit des Kindes herauszufordern. Das Kind soll also autonom entscheiden, ob es in die Pampers oder in die Toilette Stuhl machen möchte. Das Kind soll auch sehen, dass alle Menschen (Eltern) regelmäßig Stuhlgang haben, das „stille Örtchen“ muss also fürs Kleinkind ein öffentlicher Ort sein. Die schmerzlose Stuhlentleerung ist schwierig herbeizuführen, man probiert Salben aus (bei Einrissen auch Hämorrhoidalsalben) und weicht den Stuhl durch ein Klysma auf. Ein salinisches Klysma besteht aus Salzwasser, das aus einer zusammendrückbaren Plastikflasche über eine weiche schlauchförmige Öffnung in den Enddarm entleert wird. Das Salz zieht Wasser herbei, der Stuhlgang wird aufgeweicht, das Volumen im Enddarm vergrößert und eine plötzliche Stuhlentleerung wird erzielt. Anschließend sollte ruhig noch einmal gesalbt werden. Am Tag nach dem „großen“ Einlauf muss unbedingt jeden Tag eine Stuhlentleerung erzwungen werden, denn der Darm ist noch überdehnt und merkt seine allmähliche Füllung noch nicht wieder. Dies erreicht man mit Miniklistieren, die einmal täglich verabreicht werden. Nach 3 – 5 Tagen , in denen durch tägliche Stuhlentleerungen (Defäkationen) der Darm die Möglichkeit erhalten hat, Tonus zurückzugewinnen, wird er von sich aus früher melden: ich bin gefüllt, und der subjektive Stuhldrang springt wieder an. Damit aber nun nicht der psychische Mechanismus der Autonomiephase wieder alles von vorne beginnen lässt, muss dem Kind die Stuhlentleerung als autonomer Akt wünschenswert gemacht werden. Oft helfen Vergleiche mit den Eltern oder anderen Vorbildern.

Bei manchen sehr hartnäckigen Verstopfungen muss mit Diagnostik eine schwerere organische Störung ausgeschlossen werden (Morbus Hirschsprung , Aganglionose etc.) Dazu muss ein Röntgenkontrasteinlauf durchgeführt werden.

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